Sie stammte aus einer kleinen Handelsstadt südlich des Vosk, geboren in einem Haus, in dem ihr Vater Schreiber war – ein geduldiger Mann, der ihr früh beibrachte, wie man Tinte mischt und Pergament fasst, ohne es zu beschädigen.Dass er sie im Gegensatz zu anderen Kindern seines Haushalts lieber in der Schreibstube als draußen spielen ließ, kommentierte niemand. Man sagte damals, mit einem leisen Schulterzucken, dass das Kind eben anders sei als die Söhne des Nachbarn und anders als die Töchter der Verwandten.Niemand ging der Sache nach; man nahm es hin, wie man eine besondere Färbung im Sand hinnimmt – ungewöhnlich, aber nicht weiter der Rede wert.Was für sie zählte, war Wissen.Sie beobachtete, hörte zu, stellte präzise Fragen, ordnete Informationen, als hätte sie ein inneres Bedürfnis, die Welt zu sortieren, um ihren Platz darin zu finden. Dass ihre eigene Herkunft oft Gegenstand von Flüstern war, schien ihren Drang nach Verständnis nur zu verstärken.Ihre Versklavung war unspektakulär – ein Unglück, ein Fehler, ein Handel, wie sie auf Gor täglich geschehen. Sie gelangte erst in die Hände eines Händlers, der ihren Verstand zu schätzen wusste, und später eines Kriegers, der ihren Wert schneller erkannte als viele Gelehrte.Der Krieger bemerkte etwas, das andere übersehen hatten:Sie merkte sich Dinge.Und sie verstand sie.Sie verband sie miteinander.Er brauchte keine besonders schöne Kajira. Er brauchte eine, die Informationen ordnen konnte. So stellte er sie in seine Dienste: Karten abschreiben, Berichte sortieren, Beobachtungen sammeln, Spuren beschreiben, Muster erkennen.Sie brachte Ordnung, wo andere nur Geräusch hörten.Manchmal wurde in den Kasernen leise über sie gesprochen – über ihre ungewöhnlich klare Aufmerksamkeit, über ihre stille Art, über die Jahre ihres Heranwachsens, die nie recht in die üblichen Muster einer Tochter oder eines Sohnes gepasst hatten. Doch ihr Herr nahm keine Notiz davon. Für ihn zählte nur, dass sie tat, was er verlangte – und zwar besser als jede andere Sklavin, die er je besessen hatte.Heute nennt er sie, halb spöttisch und halb mit Anerkennung, „seine Chronistin“.Sie ist seine Augen im Schatten, sein Ohr in stillen Räumen, diejenige, die die Welt nicht nur sieht, sondern begreift.Und nur selten, wenn sie allein bei den Schriftrollen sitzt, denkt sie an die Zeit zurück, als sie noch ein Kind war, das nirgends recht hineinpasste.Sie lächelt dann ein wenig, denn sie weiß heute:Manche Geschichten beginnen nicht dort, wo man geboren wird –sondern dort, wo man endlich verstanden wird.